Arzneimittel-Lieferengpass-Gesetz: Bundeskabinett leitet erste Schritte ein
13.04.2023 Meldungen
Es sind gute und weniger gute Neuigkeiten zugleich: Das Kabinett hat in der vergangenen Woche (05.04.2023) den Entwurf für das „Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG)“ beschlossen. Damit soll die Versorgungslage für die Menschen und vorher natürlich für die Apotheken dauerhaft verbessert werden. Denn die Lage ist weiterhin kritisch und eine rasche Abhilfe nicht in Sicht: Viele Patient:innen müssen immer noch lange auf bestimmte Medikament warten – oder bekommen sie gar nicht.
Um künftig drohende versorgungsrelevante Lieferengpässe frühzeitig zu erkennen, wird das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ein Frühwarnsystem etablieren. Neben Änderungen am Rabattvertragssystem, Lockerungen bei den Festbeträgen, neuen Bevorratungspflichten für Generika-Hersteller sind für Apotheken teils Lockerungen an den Austauschregeln und eine Engpass-Pauschale enthalten.
Kabinettsbeschluss geht nicht weit genug
Wichtig ist es jetzt, aus der kritischen Versorgungslage die richtigen Schlüsse zu ziehen. Grundsätzlich unterstützt der BVDVA die Maßnahmen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), auch wenn diese mit erheblicher Verzögerung umgesetzt wurden. „Der aktuelle Entwurf kann aber nur ein erster Schritt sein. Die Zuspitzung ist jetzt schon über eine lange Zeit deutlich geworden. Die Corona-Pandemie hat das Thema noch einmal verschärft. Daraus gilt es zu lernen,“, sagt BVDVA-Geschäftsführer Udo Sonnenberg. Aus Sicht des BVDVA bekämpft der reine Fokus auf Antibiotika und Kinderarzneimittel das Problem der Lieferengpässe nicht an der Wurzel. Eine Ausweitung auf weitere Arzneimittelgruppen muss die Konsequenz sein. Ein weiterer Baustein könnte die Integration von gezielten wettbewerblichen Elementen bei der Preisgestaltung im Handelssystem sein. So, wie es der BVDVA seit Jahren fordert: Unter Nutzung der effizienteren Versorgungsstruktur Versandapotheke könnte das System dann anteilig höhere Beiträge für die Kosten der Arzneimittel selbst generieren, da diese einen Beitrag zur Entlastung der Krankenversicherungsträger erbringen.
Gute pharmazeutische Versorgung ist ein Wert an sich
Der Apothekenversandhandel in Deutschland argumentiert seit Anfang 2017, dass Versorgungssicherheit und Wettbewerb keinen Widerspruch darstellen. Die Integration wettbewerblicher Elemente wie ein klar begrenzter Bonusspielraum für alle Apotheken, könnte die Distributionskosten dämpfen und damit den heimischen Markt für die pharmazeutischen Unternehmer attraktiver machen. Der Arzneimittelversandhandel hat über die letzten gut 20 Jahre einen Beitrag für Preistransparenz geleistet. Es ist an der Politik, gemeinsam mit den Krankenkassen einen Weg zu finden, Versorgungssicherheit nicht nur selektiv zu betrachten, sondern für alle Akteure eine zufriedenstellende Lösung herbeiführen.
Preisregelung bei Kinderarzneimitteln
Bei Kinderarzneimitteln sollen die geltenden Preisregeln (Fest-/Rabattverträge) ganz abgeschafft werden, damit es für pharmazeutische Unternehmen attraktiver wird, Kinderarzneimittel in Deutschland herzustellen. Vielleicht ein Modellversuch für andere Arzneimittelgruppen?
Ausschreibungsänderung betrifft nur Antibiotika
Auch sieht der Gesetzentwurf Änderungen am Rabattvertragssystem vor. Krankenkassen werden verpflichtet, mindestens die Hälfte der Lose so auszuschreiben, dass Hersteller zum Zuge kommen, die ihre Wirkstoffe in Europa produzieren lassen – allerdings nur bei Antibiotika. Ergänzend wird eine Pflicht zur sechsmonatigen, versorgungsnahen Lagerung von rabattierten Antibiotika vorgesehen. Der BVDVA fordert ergänzend: Die Ausschreibungsänderungen dahingehend zu erweitern, dass sie eine verbindliche Liefergarantie der Hersteller enthalten.
Engpass-Pauschale auch für Großhandel
Apotheken hatten eine höhere Vergütung ihres Engpass-Managements gefordert. Dem ist das Bundesgesundheitsministerium bisher nicht nachgekommen. Die Engpass-Pauschale beträgt damit 50 Cent (Artikel 6 §3 Absatz 1a). Neu ist, dass der Großhandel für den Austausch von Arzneimitteln einen Zuschlag in gleicher Höhe erhalten soll. Die neugeschaffene Regelung, auch Teilmengen aus Fertigarzneimittelpackungen abzugeben (Artikel 6 §3 Absatz 5) ist allerdings nicht für den Arzneimittelversandhandel vorgesehen. Das steht laut Apotheker und stellvertretendem BVDVA-Vorsitzenden Heinrich Meyer (Inhaber Sanicare) in einem krassen Missverhältnis: "Beim Großhandel resultiert eher ein Mitnahmeeffekt während die Vergütung für die Apotheken keinen ausreichenden Ausgleich für den Mehraufwand bietet und dazu noch einen bürokratischen Alptraum darstellt."
Beitrag der Versandapotheken zur Verfügbarkeit
Versandapotheken haben während der Corona-Pandemie ihre Leistungsstärke eindrücklich unter Beweis gestellt: Versorgungssicherheit, kontaktlos, schnell und unkompliziert. Dafür stehen die Mitglieder des BVDVA.Im Jahr 2021 - so ermittelte der Verband BITKOM anhand einer Umfrage - kauften 62 Prozent der Menschen bei einer Online-Apotheke ein. Außerdem bieten Versandapotheken bei knapper Verfügbarkeit dringend benötigter Arzneimittel einen effizienten Distributionskanal. Dieser leistet zur bundesweiten, bedarfsorientierten Verteilung einen wertvollen Beitrag.
Gesetz soll erst im August in Kraft treten
Laut BMG-Zeitplan soll das ALBVVG kurz vor der Sommerpause im Bundestag beschlossen werden. Vermutlich wird sich der Bundesrat in seiner nächsten Sitzung am 12.5. mit dem Entwurf beschäftigen. Das Gesetz ist allerdings nicht zustimmungspflichtig für die Länder. Das ALBVVG ist ein Einspruchsgesetz gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes. Das bedeutet, dass es nach seiner Verabschiedung vom Bundestag auch vom Bundesrat abgelehnt werden kann, wenn dieser innerhalb von drei Wochen nach der Beschlussfassung Einspruch einlegt. Nach der Befassung des Bundestages Ende Mai, ist am 12.6. eine Verbändeanhörung geplant. In der zweiten Lesung (vorauss. in KW 25) könnte der Gesundheitsausschuss seine Änderungsanträge für das Gesetz einbringen. Die zweite Befassung im Bundesrat könnte dann im Juli erfolgen.