Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Medikamenten eurparechtswidrig
01.11.2016 Meldungen
Dem Rechtsstreit liegt eine Auseinandersetzung der Deutschen Parkinson Vereinigung e.V. (DPV) mit der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. (ZBUW) zu Grunde. Der DPV warb in einem Schreiben an ihre Mitglieder für eine Kooperation mit der niederländischen Versandapotheke DocMorris. Das Bonussystem sah für verschreibungspflichtige und ausschließlich in der Apotheke erhältliche Parkinson-Medikamente verschiedene Boni vor.
Die ZBUW ging gegen dieses Bonussystem gerichtlich vor. Es verstieß nach ihrer Auffassung gegen die deutschen Regelungen zur Preisbindung verschreibungspflichtiger Medikamente. Vor dem Landgericht Düsseldorf bekam sie zunächst Recht. Das Oberlandesgericht Düsseldorf setzte das Verfahren aus und legte dem Europäischen Gerichtshof mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vor. Dabei ging es vor allem um die Frage, ob die nationale Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente mit dem freien Warenverkehr in Europa vereinbar ist.
Diese Frage hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 19. Oktober 2016 klar verneint: Die deutschen Regelungen zur Preisbindung verstoßen gegen die Warenverkehrsfreiheit. Sie lässt sich auch nicht mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens der Patienten rechtfertigen.
Insbesondere lässt das Gericht nicht das Argument gelten, das Preisbindungssystem sei zur Gewährleistung einer sicheren und qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung der deutschen Bevölkerung erforderlich. Einen ruinösen Preiswettbewerb befürchtet der Europäische Gerichtshof nicht, wenn die Preisbindung entfällt: Die Bundesrepublik Deutschland konnte nicht belegen, dass der entstehende Preiswettbewerb dazu führte, dass Apotheken insbesondere in ländlichen Gebieten verstärkt ihr Geschäft aufgeben. Bei einem freien Preiswettbewerb könnten vielmehr Anreize geschaffen werden, in strukturschwachen Regionen Apotheken zu eröffnen: Dort könnten dann höhere Preise verlangt werden als in Gebieten mit höherer Apothekendichte.
Für deutsche Apotheken hat die Entscheidung zunächst keine Auswirkungen. Die nationalen Gesetze verbieten ihnen weiterhin, von den gebundenen Preisen abzuweichen, Rabatte einzuräumen oder Boni-Modelle zu bewerben. Handelt eine Apotheke diesen Regelungen zuwider, kann das zu wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen führen.
Anders sieht es dagegen für die ausländischen Versandapotheken mit Sitz im EU-Ausland aus. Sie können ab sofort verschreibungspflichtige Medikamente mit Rabatten oder Boni bewerben und nach Deutschland liefern.
Die Situation führt zu einer so genannten „Inländerdiskriminierung“. Die Benachteiligung deutscher Apotheker wird der deutsche Gesetzgeber nur dadurch lösen können, dass er das nationale Preisbindungssystem für verschreibungspflichtige Medikamente aufgibt und insoweit einen freien Wettbewerb für alle Marktteilnehmer zulässt.
Bei dem derzeitigen Stand der Gesetzgebung bleibt dem deutschen Apotheker nur die Möglichkeit, im EU-Ausland selbst eine Versandapotheke zu gründen, um sich dem freien Preiswettbewerb bei verschreibungspflichtigen Medikamenten stellen zu können.
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